Zur Gestaltung von Workation in Europa

Einleitung

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist das Thema Home-Office in der Lebenswirklichkeit der meisten Mitarbeitenden angekommen. In unserer Praxis erleben wir, dass das Home-Office auch immer häufiger temporär ins Ausland verlegt werden soll. Solche Workations (work + vacation) werden in der Regel von den Mitarbeitenden selbst vorgeschlagen. Doch auch für die Unternehmen kann es interessant sein, die Möglichkeit von Workations als Benefit anzubieten - gerade bei rein digital arbeitenden Teams.

Mit unserem Beitrag möchten wir anhand eines Beispielfalls sowie zweier kleiner Abwandlungen rechtliche Möglichkeiten und Probleme solch grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse aufzeigen. Beispielhaft haben wir uns hierfür das Land ausgesucht, in dem man unserer Meinung nach besonders gut dem Winter entfliehen kann: das schöne Portugal.

Das deutsche und internationale Recht im Hinblick auf Zusammenarbeit basiert auf mehreren Teilrechtsgebieten. Um eine übersichtliche Darstellung zu ermöglichen, werden diese im Folgenden getrennt betrachtet. Die Ausführungen sind grundsätzlich aufgeteilt in: Arbeitsvertragsrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht und weitere rechtliche Aspekte. Vorab lässt sich sagen: je länger die Aufenthaltsdauer, desto mehr örtliche Regelungen müssen beachtet werden.

Beispielfall

Das in Deutschland ansässige Unternehmen U beschäftigt seit längerem die deutsche Mitarbeiterin M. Das zwischen U und M bestehende Arbeitsverhältnis betrifft ausschließlich Bürotätigkeiten. U stellt es der M frei, ihre Arbeitsleistung im Home-Office zu erbringen. M überlegt, die Vorzüge der mobilen Arbeit für eine sog. Workation zu nutzen. Sie berät sich mit U, ob es möglich ist, für einen Zeitraum von sechs Wochen von Portugal aus zu arbeiten.

Arbeitsvertragsrecht

Das anzuwendende Arbeitsrecht richtet sich nach dem objektiven Kriterium des „gewöhnlichen Arbeitsortes“. Hierunter ist der Ort zu verstehen, von dem aus die Arbeit verrichtet wird. Als gewöhnlicher Arbeitsort von M wäre für die Zeit ihrer Workation Portugal anzunehmen. Da in einem solchen Fall die Anwendung von ausländischem Arbeitsrecht weder im Interesse von Mitarbeitenden, Arbeitgeber:innen noch der Sozialversicherungsträger ist, gibt es die Möglichkeit der sog. „Entsendung“.

Eine lediglich vorübergehende Verrichtung der Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ist demnach unerheblich für den bisherigen gewöhnlichen Arbeitsort. Damit das deutsche Arbeitsrecht weiterhin angewendet werden kann, muss M von U also nach Portugal entsandt werden. Dies kann nur einvernehmlich geschehen.

Hierfür ist es notwendig, eine den Arbeitsvertrag ergänzende Zusatzvereinbarung (Entsendevereinbarung) zu schließen. Aus dieser geht hervor, dass M nur für einen klar begrenzten Zeitraum in Portugal arbeitet und danach ihre Tätigkeit in Deutschland wieder aufnimmt. Die Entsendevereinbarung und der Hauptarbeitsvertrag bilden ein einheitliches Rechtsverhältnis. Das bedeutet, die Entsendevereinbarung kann nicht separat gekündigt werden.

Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte zusätzlich die Anwendung deutschen Rechts vereinbart werden, soweit dies nicht bereits im Arbeitsvertrag enthalten ist. Solch eine Rechtswahlklausel kann problemlos auch nachträglich durch eine Änderungsvereinbarung ergänzt werden. Denn auch im europäischen Arbeitsrecht gilt grundsätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit.

Sozialversicherungsrecht

Während ihres Aufenthalts in Portugal wäre M aufgrund des Territorialprinzips dort grundsätzlich auch sozialversicherungspflichtig. Aber auch das Sozialversicherungsrecht kennt als Ausnahme eine Form der Entsendung. Diese darf laut EU-Verordnung (EG) 833/2004 bis zu 24 Monate andauern. Hierfür ist abermals eine Entsendevereinbarung entscheidend. Diese vorausgesetzt, sind alle weiteren von Artikel 12 aufgestellten Bedingungen für eine Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gegeben:

  • M ist gewöhnlich in einem EU-Mitgliedstaat (Deutschland) tätig,

  • M ist EU-Bürgerin,

  • M übt für U eine Beschäftigung (Arbeitsverhältnis) in einem EU-Mitgliedstaat aus,

  • U veranlasst die Entsendung von M nach Portugal (nach vorheriger Absprache),

  • M übt auch in Portugal für U eine Beschäftigung aus, und

  • M wird nicht als Ersatz für eine:n andere:n Mitarbeiter:in nach Portugal entsandt.

Vor der Entsendung sollte M die sog. „A1-Bescheinigung“ (vgl. Muster ganz unten zum Download) bei ihrer Krankenversicherung beantragen. Die A1-Bescheinigung dient zur Vorlage bei den zuständigen Sozialversicherungsträgern in Portugal. Hiermit kann M nachweisen, dass sie den Sonderregelungen der Entsendung unterliegt und somit nicht bei den portugiesischen Trägern sozialversicherungspflichtig ist.

Mithilfe der A1-Bescheinigung kann und muss die Entsendung bei den portugiesischen Behörden ordnungsgemäß angemeldet werden. Hierfür existiert ein Online-Verfahren bei der „Autoridade para as Condições de Trabalho“. Bei diesem Verfahren sind vor allem die Informationen zu M und U sowie die Eckdaten der Entsendung anzugeben. Zudem ist eine Kontaktperson bei U zu benennen.

Steuerrecht

Auf Ebene des deutschen Steuerrechts sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Dieser für Inländer geltende Grundsatz wird auch als das sog. Wohnsitzland- und Welteinkommensprinzip bezeichnet. Da M ihren Wohnsitz in Deutschland belässt, ist sie in Deutschland auch unbeschränkt steuerpflichtig, egal in welchem Land sie ihr Einkommen verdient.

Auf europäischer Ebene gibt es - im Unterschied zum Sozialversicherungsrecht - keine einheitlichen Regelungen zum Steuerrecht. Es ist jedoch zu beachten, dass Deutschland mit allen Mitgliedstaaten der EU bilateral geltende Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) abgeschlossen hat. Diese DBAs wurden auf Grundlage des „OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ geschlossen und sind deshalb in weiten Teilen vergleichbar. Auch mit Portugal hat Deutschland ein DBA nach dem OECD-Muster abgeschlossen („DBA-P“).

Gemäß Art. 2 Abs. 1 DBA-P ist vom Abkommen sowohl die deutsche Einkommenssteuer als auch die portugiesische „Berufseinkommensteuer“ betroffen. Gemäß Art. 15 Abs. 1 darf das Gehalt von M ausschließlich in Deutschland besteuert werden. Denn nach den Kriterien des Art. 4 DBA-P gilt M als „in Deutschland ansässige Person“.

Für die Beurteilung der Steuerpflicht von U ist das Thema der Betriebsstätte zu berücksichtigen. Nach dem sog. Betriebsstättenprinzip darf der ausländische Staat die Gewinne der Betriebsstätte erst dann besteuern, wenn eine intensive geschäftliche Beziehung zu diesem Staat aufgebaut wurde. Anknüpfungspunkt hierfür ist die Definition in Art. 5 Abs. 1 DBA-P. Demnach liegt eine Betriebsstätte vor, wenn eine feste Geschäftseinrichtung mit Verfügungsmacht besteht, die auf Dauer angelegt wurde und von der aus die unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird.

Für U ist das Merkmal der „auf Dauer angelegt“ entscheidend. Laut Rechtsprechung ist hierunter ein Zeitraum von mindestens 12 Monaten zu verstehen. Da M nur sechs Wochen in Portugal verbringen wird, besteht für U kein Risiko der Bildung einer Betriebsstätte. An der Steuerpflicht von U in Deutschland (Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer) ändert sich durch die Entsendung von M vorerst nichts.

Weitere rechtliche Aspekte

Hinsichtlich des Aufenthaltsrechts gelten keine Besonderheiten. Da M Unionsbürgerin ist, kann sie sich auf die europäischen Grundfreiheiten berufen. Das betrifft insbesondere Art. 21 AEUV (Freizügigkeit), wonach sich M frei in Portugal bewegen und aufhalten darf. Hinzu tritt die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV, welche den freien Zugang zu einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedsstaat garantiert.

In Hinblick auf das personelle Melderecht gibt es in der EU leider keine einheitlichen Regelungen. In Portugal muss sich jeder EU-Bürger, dessen Aufenthalt länger als 3 Monate beträgt, bei der Gemeinde des Aufenthaltsorts anmelden. M trifft aufgrund der Kürze des Aufenthalts also keine gesonderte Meldepflicht.

Für das Arbeitsschutzrecht gilt die europarechtliche Entsenderichtlinie RL 96/71/EG. Die Richtlinie statuiert das sog. „Ziellandprinzip“, wonach die gesetzlichen Anforderungen des Ziellandes der Entsendung einzuhalten sind. Es soll also erreicht werden, dass in einem Mitgliedsstaat nicht über einen längeren Zeitraum Mitarbeitende tätig sind, die nicht den arbeitsschutzrechtlichen Regelungen dieses Mitgliedsstaates unterworfen sind. Gemäß Art. 3 Abs. 1 betrifft das unter anderem die Bereiche: Arbeitszeit, Urlaub, Mindestlohn und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Ein Unterschied zu Portugal besteht beispielsweise bei der Bestimmung des Urlaubs. In Portugal beträgt der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Urlaub mindestens 22 Tage pro Jahr. In Deutschland beträgt der Mindesturlaubsanspruch hingegen nur 20 Tage pro Jahr (§ 3 BurlG). Sofern der bestehende Arbeitsvertrag keinen zusätzlichen Urlaubsanspruch beinhaltet, muss der M während der Entsendung also zwei Tage mehr Urlaub (anteilig) gewährt werden.

Für die Anwendbarkeit der Entsenderichtlinie existiert keine Mindestdauer der Entsendung. Es kommt also nicht auf die Dauer des Aufenthalts an. Die in Portugal geltenden arbeitsschutzrechtlichen Regelungen sind von Beginn an zu berücksichtigen.

Abwandlung 1

Abweichend vom Ausgangsfall möchte M den gesamten Winter in Portugal verbringen. Sie plant einen Zeitraum von insgesamt vier Monaten.

Mit Blick auf das Steuerrecht ist zu beachten, dass für die Beurteilung des „gewöhnlichen Aufenthalts“ i.S.d. Einkommenssteuerrechts die 183-Tage-Grenze des § 9 S. 2 AO gilt. Da M auch in der Fallabwandlung weniger als ein halbes Jahr im Ausland tätig ist, bleibt es bei dem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Somit ändert sich auch nichts an der unbeschränkten Steuerpflicht von M in Deutschland. Aufgrund des DBA-P muss M auch keine Steuern in Portugal zahlen.

Im Unterschied zum Ausgangsfall muss sich M jedoch innerhalb einer Frist von 30 Tagen bei der Gemeinde ihres Aufenthaltsortes (Câmara Municipal) anmelden. Sie erhält dort eine Anmeldebescheinigung (Certificado de Registo de Cidadão da União Europeia). Bei der Beantragung muss M einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen. Zudem muss sie die sonstigen Voraussetzungen für die Aufenthaltsgenehmigung eidesstattlich versichern (declaração sob compromisso de honra). Das betrifft vor allem das Vorhandensein einer Krankenversicherung sowie ein Beschäftigungsnachweis.

Hinsichtlich des Arbeits- und Vertragsrechts ergeben sich für M und U keine Änderungen aufgrund der längeren Aufenthaltsdauer. Das gleiche gilt auch für den Bereich des Sozialversicherungsrechts.

Abwandlung 2

Abweichend vom Ausgangsfall möchte M länger als ein halbes Jahr in Portugal verbringen.

Sofern die Voraussetzungen der Entsendung weiterhin vorliegen, ergeben sich keine Änderungen hinsichtlich des Sozialversicherungsrechts.

Gemäß Art. 15 und Art. 4 des DBA-P ist M nun aber in Portugal steuerpflichtig, nicht mehr in Deutschland. Das liegt an der Überschreitung der 183-Tage-Grenze. Um der Steuerpflicht nachzukommen, muss M eine Steuernummer beim zuständigen portugiesischen Finanzamt (Serviços de Finanças) beantragen. Hierfür benötigt A, wie auch für die Beantragung der Anmeldebescheinigung, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass. Zusätzlich muss M den Nachweis ihrer Adresse in Portugal erbringen, was beispielsweise durch Vorlage eines Mietvertrages erfolgen kann.

Für U ändert sich hinsichtlich der Steuerpflicht selbst dann nichts, wenn die Entsendung länger als ein Jahr beträgt. Auch dann ist nicht vom Vorliegen einer Betriebsstätte auszugehen. Zwar ist nun das Merkmal „auf Dauer angelegt“ zu bejahen. Trotzdem fehlt es an der weiteren Voraussetzung der „festen Geschäftseinrichtung“. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn eine Sachgesamtheit von unternehmerischen körperlichen Gegenständen existiert. Das ist beim mobilen Arbeiten jedoch eher nicht der Fall, vor allem, da kein Büro zur Verfügung gestellt wird.

Generell erhöht sich das Betriebsstättenrisiko mit (i) zunehmender Anzahl der Mitarbeiter:innen im selben Ausland, (ii) steigendem Umfang der Ausstattung der Mitarbeiter:innen und (iii) Erweiterung der Kompetenzen zur Teilnahme am Geschäftsverkehr. Zu beachten ist, dass ein Unternehmen jedenfalls dann so behandelt wird, als hätte es eine Betriebsstätte in dem anderen Staat, wenn der:die entsandte Mitarbeiter:in die Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen und diese Vollmacht im anderen Staat auch gewöhnlich ausübt (Art. 5 Abs. 5 DBA-P).

Downloads zum Artikel:

Portables Dokument A1: Formular (203,48 kB, pdf)

Informationen zum Portablen Dokument A1 (123,03 kB, pdf)

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