Von Klöstern, höheren Zwecken und gemeinschaftlichem Gewinnstreben. Ein Kommentar zum Tagesschau.de-Artikel über die Habitat Weine eG

Einführung: Wolfgang Bender wandelte seinen Familienbetrieb in die “Genossenschaft in Verantwortungseigentum” “Habitat Weine” um. Das Weingut ist nun gemeinschaftlich organisiert und das Vermögen fest an den Betrieb gebunden, wodurch Gewinne im Betrieb bleiben und nicht spekulativ veräußert werden können. Gewinne werden nicht ausgeschüttet, sondern fließen in die Weinproduktion, Pflege der Reben und soziale Projekte. Statt kurzfristigem Profitstreben sollen langfristige Ziele und der Zweck des Unternehmens im Vordergrund stehen. Die mitarbeitenden Mitglieder der Genossenschaft halten die Stimmrechte und sind eng mit den Zielen des Betriebs verbunden. Dieses Modell schützt vor Übernahmen und Spekulationen und fördert eine nachhaltige Unternehmensführung.

Der Bericht auf Tagesschau.de „Wenn sich der Unternehmer selbst enteignet“ soll die Notwendigkeit der Entstehung einer neuen Rechtsform kolorieren – und übersieht dabei den magischen Moment und die Chance der neuen Rechtsform, wenn sie nur in der passenden Organisation eingebettet ist.

Im aktuellen Diskurs zur neuen Rechtsform wird zumeist über Nachfolge gesprochen. Durch die Überführung in treuhänderisches Eigentum soll die Übertragung des Treuguts nicht mehr besteuert werden. Das spart aus der einen Sicht Steuern, aus der anderen Sicht ermöglicht es überhaupt noch Übergaben, da bei wertvollen mittelständischen Unternehmen nur noch eine Handvoll Unternehmen ausreichend Kapital haben, um die Unternehmen zu kaufen – und auf den Transaktionspreis werden dann (manchmal hohe) Steuern fällig. Bei einer Übergabe unter Wert besteht wiederum das Risiko der (Teil-)Schenkungssteuer.

Aber das trifft nicht mehr den Kern der Möglichkeiten der neuen Rechtsform und die Hintergründe der Bewegung rund ums Verantwortungseigentum, die sich mit der neuen Rechtsform solidarisiert hat.

Eine Purpose-Gesellschaft, wie die neue Rechtsform auch noch genannt wird, kann in den Dienst von höheren Zwecken gestellt werden und wird von Treuhänder:innen verwaltet. Eine Gesellschaft, eine juristische Person, vertritt einen höheren Zweck. In den Reigen der Rechtsformen hat sich eine Heilige gesellt.

Und: Sie hat bekannte Vorfahren, die Klöster. Und zwar die Klöster des „ora et labora“. In den Benediktiner- und Zisterzienserklöstern erbrachten die Mönche ihre Dienste für die höhere Sache Gottes. Und Eigentum hatten die Mönche als Gemeinschaft und nicht als Individuen (allerdings heißen Klöster auch nach wie vor „geistliche Genossenschaften“, dazu komme ich gleich).

Die Benediktiner und Zisterzienser:innen des Mittelalters hatten solide Geschäftsmodelle, sie waren nicht von den Almosen anderer abhängig - und im gleichen Maße ist die Purpose-Gesellschaft keine gemeinnützige Gesellschaft. Sie lebt nicht von Spenden, sondern hat ein erwerbswirtschaftliches Geschäftsmodell, das den besonderen Zweck finanziert.

„Mit jedem Kasten Benediktiner Hell retten sie ein Stück Regenwald.“ Solange die Gewinne im Unternehmen verbleiben und den Regenwald retten, sind Menschen eher bereit, sich auf eine Verbindung zwischen Kapitalismus und dem Guten einzulassen. Bei Krombacher, das mit seinem „Regenwald-Projekt“ an die einhundert Millionen Quadratmeter Regenwald geschützt hat, bleibt für die Konsument:innen das Gefühl, dass die Rettung des Regenwalds nur ein Werbetrick zugunsten von dessen Eigentümer, der Familie Schadeberg, ist. Wo ist die Grenze zum Greenwashing? Diese Frage hätte sich bei den Benediktinern im Mittelalter nicht gestellt!

Mit dem Begriff „Verantwortungseigentum“ hat sich die „Stiftung Verantwortungseigentum“ angesichts der Differenz zwischen individuellem Gewinnstreben von Familienunternehmen (ggfs. Krombacher) und der wichtigen Rolle des deutschen Mittelstandes für unsere Gesellschaft in einen Kulturkampf begeben, der bekannte Denkbilder von Links und Rechts eröffnet.

Der Zweck darf nicht durch den Gewinn korrumpiert werden. Darauf wollten sich die verantwortungsvollen Familienunternehmer:innen aber nicht einlassen. Und so begann der Kulturstreit über die Frage, wer trägt Verantwortung in der deutschen Wirtschaft. Heißes Pflaster.

Es ist verständlich, dass beim Bedürfnis eine Rechtsform für „alle“ zu ermöglichen, dieses Thema in den Hintergrund gerückt ist und der Nachfolge Platz gemacht hat. Nachfolgeprobleme haben alle.

Aber zurück zu unserer Heiligen. Menschen sind bereit, sich auf gute Projekte einzulassen und diese mit eigenem Kapital zu unterstützen, da sie glauben, auf diesem Wege etwas verändern zu können. Und die Idee, dass dies mittels eines Geschäftsbetriebs funktioniert, der sich irgendwann selbst finanziert, erzeugt das „Perpetuum mobile des Guten“.  Hierauf sollte aus meiner Sicht bei der Betrachtung der „Habitat Weine eG im Verantwortungseigentum“ der Fokus gelegt werden. Wolfgang Bender hat sich nicht selbst enteignet. Er hat sein Land einer höheren Sache zur Verfügung gestellt.

So, wie das einst die Fürsten in der Nähe des Zisterzienser Klosters Eberbach gemacht haben. Anfang des 15. Jahrhunderts hatte dieses Kloster mehr Land als der Bischoff von Mainz, welcher sich wiederum selbst als einer der vermögendsten geistlichen Herrscher betrachten durfte.

Und die höhere Sache der Habitat Weine eG ist eine so gegenwärtige und praktische, dass sie eigentlich jeden bezaubern muss!

Der industrielle Weinbau hat die Weinlandschaft sehr verändert, das so genannte monokulturelle „Rebenmeer“ ist anfällig gegen Insekten, Pilze, Sonne, Wind und Wetter. Es braucht Bäume und anderen Bewuchs, um ein natürliches Gleichgewicht zurück in den Weinberg zu bekommen und dem Klimawandel zu widerstehen. Finanziert durch Menschen, die jetzt ihr Kapital in den Dienst einer guten Sache stellen wollen.

Genau so sehr braucht es guten, handwerklich sauber hergestellten Wein. Weinbau ist ein echtes Handwerk, und die Zisterzienser haben sich an dieser Stelle verdient gemacht, so, dass sie vielleicht mit ihren Franchisepachtverträgen die „Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis“ erfunden haben. Und auch Wolfgang Bender hängt dieser Tradition des Handwerks an. Die Auswahl der für Fläche und Klima passenden Rebsorten und der richtige Rebenschnitt sind genauso wichtig wie der Ausbau, und bei einigen seiner Weine auch das thematisch gewählte „Cuvée“ (kurz den Rahmen des Textes überschreitend: „Time to say Peace“ ist ein sehr guter Wein).

Und hier fügt sich auch das letzte Puzzlestück ins große Bild ein. Die Habitat Weine eG ist primär Genossenschaft mit Mitgliedern, die den Betrieb mit ihren Diensten und Kapital unterstützen. Eine Gemeinschaft, eine Genossenschaft. Das heißt: viele Genossen, die für einen höheren Zweck eintreten und dabei sehr guten Wein bestellen und trinken können, und darüber hinaus eben nicht für den Gewinn eines anderen wirtschaften. Das sichert schlussendlich den Geschäftsanteil der Purpose Stiftung gGmbH ab.

Vielleicht wird die Habitat Weine eG aber auch irgendwann zu einem kleinen Kloster Eberbach im Auftrag der Rettung des Weins, wenn die Teilerwerbswinzer:innen selbst keine Nachfolger:innen in der Bewirtschaftung ihres Landes finden und ihr Land in die Genossenschaft einbringen wollen, um dafür gegebenenfalls noch eine angemessene Abfindung in Form von Geschäftsanteilen zu erhalten. Dafür muss der Weinverkauf dann auch ganz gut laufen.

Vielleicht wird diese auf „ewig“ gedachte Struktur auch selbst den Weg der Klöster gehen: Sie wurden zwar durch Napoleon abgeschafft, aber Anfang des 19. Jahrhunderts hatten sie ihre Innovationslust und Attraktivität so eingebüßt, dass das dann auch niemand mehr interessiert hat.

Wir wissen nicht, wohin die Reise der Habitat Weine eG noch geht. Das Problem der guten Nachfolge wird aber auch für diese Gesellschaft bestehen bleiben. Denn auch die Genossenschaft und ihre Organe muss irgendwann jemanden finden, der diese herausfordernde Aufgabe übernehmen will.

Quellen:

https://wolfgangsweine.de/pages/habitatweine

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/neue-ideen-weinbau-100.html

https://stiftung-verantwortungseigentum.de/

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